Arkadi Renko 04 - Nacht in Havanna by Smith Martin Cruz
Autor:Smith, Martin Cruz [Smith, Martin Cruz]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-15T05:00:00+00:00
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Ofelia erreichte den Pool der Casa del Amor und hörte aus einem der Zimmer ein Radio plärren, Los Van Van sangen »Muevete!«, die hölzernen claves tanzten über ihren Rücken, und sie dachte nicht zum erstenmal, wie sehr sie der Musik mißtraute. Es war also ein Schock gewesen, ihren Finger auf die Vene des Russen zu legen und den Rhythmus seines Pulsschlags zu spüren. »Willst du ihn nicht reinlassen, darfst du dich nicht einlassen«, war einer der Lieblingssprüche ihrer Mutter. Genauso: »Wer nicht angegrapscht werden will, darf nicht mit dem Arsch wackeln.« Mit dem Arsch zu wackeln, war die kubanische Methode, dachte sie manchmal. Das Leben war deshalb ein solches Durcheinander, weil ihr Gehirn zu den ungünstigsten Zeitpunkten und bei den unmöglichsten Männern irgendein Signal aussandte, das ihr befahl: »Muevete!« Der 57er Dodge Coronet mit den privaten Nummernschildern, den man ihr für Überwachungen zugeteilt hatte, parkte im Schatten eines Kapokbaums am Straßenrand. Die vordere Stoßstange hing nach zu vielen Zusammenstößen nur noch an Drähten. Sie kannte das Gefühl.
Da der Strand an diesem Teil des Malecon aus flachen Felsen und Korallenschotter bestand, war die Casa del Amor um einen Swimmingpool mit Terrasse gebaut worden, die bis auf zwei Tischtennis spielende Jungen menschenleer war. Am frühen Nachmittag unternahmen die meisten jineteras und ihre neuen Freunde eine Rickschafahrt durch Alt-Havanna, schlürften mojitos in der Bodeguita del Medio oder lauschten auf der Plaza de la Catedral romantischer Musik. Später folgten ein Boutiquenbummel und ein Abendessen in e’mempaladar, wo ein Teller mit Reis und Bohnen den Wochenlohn eines Kubaners kostete, dann ein bißchen Sex in der Casa del Amor und anschließend ein langer Abend in einem der Tanzclubs.
Wenn Kubaner zur Casa del Amor kamen, um ihrer Leidenschaft zu frönen, waren immer alle Zimmer belegt. Aber für die »Liebespaare« aus jineteras und Touristen gab es jederzeit ein Zimmer mit frischen Laken, Handtüchern und einer Vase mit einer langstieligen Rose. Ofelia hatte festgestellt, daß Beschwerden bei den Behörden ergebnislos blieben, was bedeutete, daß die Polizei das Motel schützte. Neunzig Dollar pro Nacht und Zimmer, der Preis eines Zimmers der gehobenen Kategorie im Hotel Nacional, waren Grund genug, die Hand über eine solche Goldgrube zu halten, selbst wenn das Gold mit dem Schweiß kubanischer Mädchen erkauft wurde.
Eine schwergewichtige Frau in einem Overall fegte die Straße in dem gleichmäßigen Rhythmus von zwei Besenstrichen pro Minute. Ofelia bezog Position neben der Eismaschine unter der Treppe zum ersten Stock und lauschte der Musik und gelegentlichen Schritten aus den Räumen über ihr. Lediglich die beiden mittleren Zimmer waren belegt, was ihr in Anbetracht der begrenzten Einsatzkräfte und wenigen Zeit nur recht war. Die beiden Jungen an der Tischtennisplatte beendeten ein Spiel und begannen ein neues.
Sie hatte entschieden, daß der Russe ein Desaster war, das es zu meiden galt. Schon das Licht in seinen Augen war wie die Glut eines fast gelöschten Feuers, die davor warnte, sie zu schüren. Es war schon schlimm genug, daß er eine Gefahr für sich selbst darstellte, aber seine Geschichte über Luna war der reine Wahnsinn. Hier war ein
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